Sie sind Lehrer*in an einer Berufsschule. Zum zweiten Halbjahr kommt ein neuer Schüler, Mohamed, 17 Jahre aus Syrien, in die 11/1. Er scheint schüchtern zu sein. Neben Steven ist noch ein Platz frei. Mohamed nimmt diesen Platz ein.
Drei Tage später kommt Steven nach Unterrichtsende zu Ihnen. Er teilt Ihnen mit, dass er nicht mehr neben Mohamed sitzen wolle. Wegen seines Körpergeruchs könne er „keinen klaren Gedanken mehr fassen“!
- ihn fragen wie er in der Klasse angekommen ist, ob es ihm gut geht. Nebenbei selbst davon überzeugen, ob Steven Recht hat und wirklich ein intensiver Körpergeruch bemerkbar ist. Sollte es sich als real erweisen, Mohamed darauf aufmerksam machen, dass Deutschland ein sehr wasserreiches Land ist und das tägliches Duschen zur Körperhygiene gehört. Das mag in anderen Ländern mit Wasserknappheit nicht üblich sein, gehört hier zur Körperpflege dazu.
- Sollte der Körpergeruch nicht real sein, ein Gespräch mit Steven suchen und ihm mitteilen, dass er den ´Ball flachhalten´ sollte. Und ob er mit Mohamed was zu klären hat und/oder er Hilfe dabei benötigt.
- ob Steven schon mal mit rechten Sprüchen/ Aktionen aufgefallen ist
Zwei Wochen nach dem Vorfall kommen Sie in die 11/1. Ihnen fällt auf, dass Mohamed ein blau unterlaufenes Auge hat. Nach der Stunde sprechen Sie ihn darauf an. Er erzählt Ihnen, dass er beim Fahrradfahren gestürzt sei. Sie glauben, dass er nicht die Wahrheit sagt und erinnern sich, dass er in den letzten Tagen –nicht wie sonst konzentriert sondern eher abwesend – im Unterricht weilte.
Mohamed auf seine geistige Abwesenheit im Unterricht ansprechen und ihm entgegnen, das es nicht plausibel scheint, sich ein blaues Auge beim Fahrrad Unfall zuzuziehen. „Schau, es ist keine Verletzung, die nach einem Fahrrad Unfall aussieht – dann sind eher die Knie oder Hände davon betroffen. Ich bin besorgt, dass es möglicherweise zu schlimmeren Vorfällen kommt – niemand muss sich körperlich misshandeln lassen. Sag mir, wer dich geschlagen hat!“
Je nach Information kann Mohamed Anzeige wegen Körperverletzung erstatten oder das Gespräch mit dem/der Verursacher*in suchen und eine Wiedergutmachung einfordern. Mit der Schulsozialarbeiterin wird er den Kontakt zu einer Beratungsstelle aufnehmen.
Vorfall, Klassenklima und Vereinbarungen zum respektvollen Umgang besprechen. Einstieg in das Thema mit der Klasse bietet die indirekte Perspektivenübernahme. Die Klasse in die Intervention mit einbeziehen, da die Mitschüler*innen gemeinsam eine Lösung erarbeiten und später Mohamed Unterstützung geben sollen. „Was meint ihr, wie Mohamed sich fühlt?“ Meist halten die Opfer die passive Rolle gut aus. Den „zusehenden“ Mitschüler*innen und dem Täter wird mit der Verdeutlichung der Folgen für das Opfer ebenfalls ein Perspektivenwechsel ermöglicht. Optimaler Weise wirken alle aktiv an der Lösung mit, ein unterstützendes Helfersystem wird etabliert.
- Im Kollegium recherchieren und Informationen zusammen tragen: Ist Mohamed als Einzelperson betroffen oder handelt es sich um ein Gruppenphänomen? Sind die anderen Schüler*innen mit Migrationskontext diskriminiert/gefährdet? Kolleg*innen nach Auffälligkeiten/ Gruppendynamik/ Pausensituationen befragen.
Wenige Tage später stellen Sie fest, dass Mohamed im Unterricht fehlt. Auf Nachfrage teilt Ihnen der Klassensprecher mit, dass Mohamed sich auch aus der Klassen-WhatsApp-Gruppe verabschiedet hätte. Er wolle sich nicht länger wegen seiner Herkunft drangsalieren lassen!
- Was wünscht er sich? Vertrauen aufbauen, Klärung des Geschehens der letzten Wochen, Gruppensituation, nächste Schritte gemeinsam planen, Folgetermin vereinbaren. Prinzipien des Opferschutzes beachten: Nicht über den Kopf hinweg agieren, Transparenz herstellen, Angebote, Begleitung,
- Mit Mohamed und seiner Familie sollte ein Gespräch geführt werden um ihn zu überzeugen, die Schule nicht abzubrechen, da er dadurch seine Chancen auf eine Ausbildungsstelle aufs Spiel setzt.
- Mohamed zum Gespräch einladen (besuchen sofern er weiterhin nicht zur Schule kommt) und nachfragen, ob es eine konkrete Bedrohung gab, ihm versichern, dass auch Cybermobbing in Deutschland Konsequenzen hat.
- Offensichtlich handelt es sich um ein Problem mit Rassismus. Da der Klassensprecher zu wissen scheint, was vorgefallen ist, kann er oder die gesamte Klasse zum Geschehen befragt werden, um ein Bild der Situation zu bekommen. Dabei sollte die Klasse an die Regeln erinnert werden, in denen es um gegenseitigen Respekt geht und dass Rassismus eben diesen verletzt. Die beteiligten Schüler*innen sollten Sanktionen erhalten, die in Zusammenhang mit ihrem Verhalten stehen, bspw. einen Entschuldigungsbrief an Mohamed schreiben. Zudem könnten sie Arbeitsaufträge erhalten, sich mit der Situation in Mohameds Herkunftsland zu befassen, um ihr Bewusstsein zu fördern, warum Mohamed in ihrer Klasse ist und wie es ihm möglicherweise dabei geht (Aktivierung von Empathie und Perspektivenübernahme) Befragung der Klasse, was genau vorgefallen ist; Erinnerung an Klassen-/Schulregeln hinsichtlich Respekt
- Reaktionen beobachten, ob das Thema „Ausländerfeindlichkeit“ in der Klasse vorhanden ist oder es sich um Cybermobbing als ein Einzelfall-Thema handelt. Die Buddys/ Paten werden aufgefordert, Mohamed zu Hause aufzusuchen um ihn zu informieren, dass er in die Klasse zurückkommen soll.
- Digitale Ethik und Cyber-Mobbing werden in der Klasse thematisiert, ebenso die einzelnen Tatbestände wie Nötigung, Drohung, Erpressung, die strafbare Handlungen darstellen, auch wieder in Verbindung mit den strafrechtlichen und zivilrechtlichen Konsequenzen. – Verhaltenskodex gemeinsam erstellen, aktualisieren, einfordern (Verbot Handy, Handykamera in der Institution, Mobbing via Internet… Regeln und Konsequenzen bei Nicht-Einhaltung für den Klassen-Chat erarbeiten die Schüler*innen).
- Opfer von Cyber-Mobbing können selbst am wenigsten zur Veränderung der Situation beitragen und ist deshalb in besonderer Weise auf die Unterstützung von außen angewiesen. Da Cyber-Mobbing als systemisches Problem effektiver systemisch zu lösen ist, dürfen keine Individuums zentrierten Interventionen bei Cyber-Mobbingopfern im Fokus stehen, sondern die Interventions- und Präventionsbemühungen sollten auf die Stabilisierung im System Klasse abzielen.
- Die Klasse wird in die Intervention mit eingebunden, da die Mitschüler gemeinsam eine Lösung erarbeiten und später dem Opfer Unterstützung geben sollen.